INHALTSVERZEICHNIS
Verlorene Kinderjahre
Beim Schindabauern
Der Diebstahl
Die Falle
Auf der Flucht
Der Krankenbesuch
Ein friedliches Lächeln
Literarische Betrachtung von Ingrid Liez
(Lokal vom 26.November 2001)
Ihr neues Buch stellten letzten Freitag die Oberpfälzer Autoren Karl Bösl und Oskar Duschinger im Burglengenfelder Gasthof „Burgblick" vor: „Das verlorene Paradies" ist die rührende Geschichte einer Zehnjährigen, die sich aus einer Notsituation heraus einem reichen Bauern als Magd verdingen muss. Die Schilderungen des harten Lebens auf dem Land in den frühen Dreißiger Jahren sind auch als ein Stück Zeitgeschichte zu verstehen - wer weiß heute noch wie entbehrungsreich das Leben damals war?
Übervoll war das Fritz Graf - Gewölbe im Burglengenfelder Gasthof Sauerer. Gebannt lauschten die Zuhörer als Oskar Duschinger, Lehrer und Buchautor aus Nittenau, aus dem vierten Werk vorlas, das
in Zusammenarbeit mit dem Burglengenfelder Schriftsteller Karl Bösl entstand. Musikalisch umrahmt wurde die Vorstellung von Camilla Kloos an Harfe und Drehleier.
Die Geschichte der kleinen Maria, so Duschinger, öffne den Blick in eine harte, aber auch gefühlsbetonte vergangene Zeit. "Eine Geschichte die zu Tränen rührt". Zum Inhalt: Weil die Haßlinger-Familie
den Vater verlor, ist die Mutter gezwungen, ihre älteste Tochter als Dienstbote bei einem betuchten Bauern unterzubringen. Doch der Schindabauer erweist sich als ein unbarmherziger Mensch, der ihr
das Leben zur Hölle macht. Als Maria das Leben auf dem Schindabauernhof nicht mehr ertragen kann, flieht sie bei strömenden Regen und zuckenden Blitzen nach Hause...
Die Erzählung, so die Autoren, führe auf drastische Weise vor Augen, wie wichtig es sei, menschlich miteinander umzugehen. Als
„Geschichtsschreibung von unten" bezeichnete Erich Laßleben das hundertseitige Werk, das im Laßleben-Verlag Kallmünz erschienen ist. „Die Leute können es sich heute nicht mehr vorstellen,
wie damals das tägliche Leben war", betonte Karl Bösl. „Wir waren zu Hause fünf Buben, und oft gab es nur wenig zu essen. Wenn wir uns bei unserer Mutter über unseren Hunger beklagten, erzählte sie
uns die traurige Geschichte von der kleinen Maria, die auf einer wahren Begebenheit beruht. Dann waren wir mit unserem Leben wieder zufrieden!"
In seiner Einführung bezeichnete Dietmar Zierer die Erzählung als „Krimi, Seifenoper und gute Unterhaltung, mit viel Romantik und harter Realität in einem".
Die häufige negative Auslegung des Begriffs „Heimatdichter" müsse relativiert werden, denn zum Beispiel die Bücher des „ungewöhnlichen Duos" Bösl/Duschinger wie „Aus meiner Schulzeit" oder „Im
"Fadenkreuz des Krieges" hätten auch sozialkritische Aspekte zum Inhalt.
Zum Buch
Mit John Miltons „Paradise Lost" hat die Geschichte der kleinen Maria nur wenig zu tun, denn hier geht es um die Vertreibung aus dem Paradies der Kindheit, die jedoch für Maria auch vorher schon kein Eden gewesen sein dürfte. Handlungstreibender Angelpunkt ist die Tatsache, dass in jener Zeit Armut verachtet und die armen von den besser gestellten gequält wurden - so die Darstellung von Bösl und Duschinger. Armut ist eine Krankheit - so zeigt es der sozialdarwinistische anmutende Vergleich der kleinen Maria mit einer kranken Henne, die von gesunden Tieren zu Tode gepickt wird. Marias Geschichte liest sich überaus flüssig und spannend. Prächtig und romantisch verklärend sind Landschafts - und Stimmungsschilderungen, naturalistisch die Darstellungen des bäuerlichen Haushalts und des Elends des Mädchens. Milieu und Mentalität der Menschen bis hin zu einer tiefen Religiosität sind sicherlich eine exakte Wiedergabe des damaligen Lebens. Hüten solle man sich jedoch vor Schwarzweißmalerei: Da gibt es wie im Märchen die Guten um Maria, die ihr zur Seite stehen, und die Bösen, die ihr Übles wollen. Das Mädchen selber ist lauteres Opfer, sie gehorcht immer und lässt alles mit sich geschehen, außer dem einen Mal, als sie aus eigenem Antrieb wegläuft und damit ihre schwere Krankheit heraufbeschwört. Auf dem Schindahof fristen der neidische, aggressive Bettnässer und „Krüppel" Kreszenz und die alte „Ahne" in einer schmuddligen ecke der Bauernküche ein trübes Dasein - wie sind eigentlich beide so böse geworden, wie sie geschildert werden?
Grausamkeit des Schindbauern
Ein großes Thema wird am Rande gestreift: Hartherzige Bauersleut „outen" sich als treue Anhänger des frischgebackenen Führers Hitler; die Mitgliedschaft in der NSDAP wird als fruchtbarer Boden für
die Grausamkeit des Schindabauern bezeichnet - die umstrittene Hypothese von der Kollektivschuld aller Deutschen - oder zumindest solcher „Böser" wie in dieser Geschichte, wird so indirekt
wiederbelebt. Auch wird dem bösen Buben Jackl, der mit seinen Intrigen das tragische Ende initiiert, von den Erzählern keine Möglichkeit zu echter Reue und Umkehr gegeben. Wie in einer antiken
Tragödie scheint das Ende der Geschichte unausweichlic h, obwohl doch die äußern Umstände alles gut werden lassen würden. Gott will es augenscheinlich anders, und seine unerforschlichen Wege für
Maria lassen dem Leser wirklich die Tränen in die Augen schiessen. Eine wichtige Botschaft des Buches vom „Verlorenen Paradies" für die heutige, übersättigte Gesellschaft ist die
Schilderung dessen, was arm sein wirklich bedeutet: Der Wert eines einzigen Stück Brotes sollte in unserem Denken wieder einen angemessenen Platz erhalten.
Ansprechend und liebevoll gestaltet wurde das Buch durch Zeichnungen des Schwandorfer Künstlers Ludwig Mailli; den Umschlag gestaltete die 13-jährige Schülerin Ildiko Nagy aus Nittenau.