Mit der Kundgebung auf dem Volkfestplatz in
Wackersdorf erreichte der Widerstand im
Herbst 1987 seinen Höhepunkt. Rund 25.000
Menschen nahmen an der Abschlussveranstaltungteil, auf der mehrere Redner ihre ablehnende Haltung gegenüber der WAA, aber auch gegenüber der starken Polizeipräsenz zum Ausdruck brachten. Nahezu alle Demonstrationsteilnehmer machten sich hinterher auf den kilometerlangen Marsch in Richtung WAABaustelle.
Eine Aktion, die im Vorfeld vom Landratsamt Schwandorf auf Weisung des Innenministeriums untersagt worden war, ebenso vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.
Lautsprecherdurchsagen der Polizei am Kundgebungsplatz, den verbotswidrigen Zug
aufzulösen, verhallten dort ebenso wie ein halbe Stunde später an der Abzweigung zur Wackersdorfer Industriestraße von der Kreisstraße SAD 9. Dort erwartete die Demonstranten eine Gitterabsperrung, die den Weitermarsch in Richtung WAA-Gelände verhindern sollte. Auf einen ersten Versuch, die Polizeikette zu
durchdringen, antworteten die Einsatzkräfte mit Schlagstockeinsatz. Nach vereinzelten
Steinwürfen aus den Reihen der Demonstranten,
folgte ein neuerlicher Versuch, die Absperrung zu überwinden. Behelmte Beamte hielten mit Schlagstöcken und Reizgas dagegen. Erneut flogen Steine, was jedoch aufhörte, als sich friedfertige Demonstranten mit erhobenen Armen vor die Sicherheitskräfte stellten.
Unterdessen setzten sich an den Rändern
der polizeilichen Absperrung WAA-Gegner in
den Wald ab, um sich so dem WAA-Bauzaun
nähern zu können, ehe die Polizei später die Sperre aufhob und freien Zugang gewährte. Tausende von WAA-Gegnern erhielten nun Zugang zum WAA-Gelände. Dort liefen Demonstranten über den Betongraben zur Zaunanlage hoch, andere rüttelten am Tor 1. Zur gleichen Zeit drängten Vermummte eine Polizeigruppe ab. Aus der Menschenmenge prasselten Steine, Erdklumpen und Flaschen auf die Helme der Polizeibeamten. Darauf marschierten weitere Einsatzkräfte vor den WAAZaun
stürmten auf die Menschenmenge los, wobei Berliner Einsatzkräfte besonders brutal
vorgingen. Sie prügelten mit ihren Schlagstöcken auch auf flüchtende Demonstranten ein.
„Mörder, Mörder!“, schrien die Demonstranten und stieben auseinander, als der Trupp der Berliner Polizisten wieder loshetzte. Scheinbar losgelöst vom polizeilichen Gesamtgeschehen agierte die 20-köpfige Einsatzgruppe. Einem Reporter des „Wochenblattes“, der dokumentieren wollte, wie man einem Kollegen die Kamera zerschlug, wurde von hinten ein „Polizistenknüppel über den Kopf gezogen“. Er wurde dabei so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus landete. Eine junge Kollegin wurde zu Boden gerissen und an den Haaren mitgeschleift.
In der Ausgabe vom 15. Oktober 1987 berichtete Beatrix Neukirch im „Wochenblatt“ unter der Überschrift „Demokratie niedergeprügelt“: „Das Einsatzkommando der Zwei-Meter-Bullen aus Berlin-Kreuzberg, dessen Einsatzleiter sich und seine Mannen angeblich freiwillig für den Dienst in Wackersdorf gemeldet hat, war ein Totschlägerkommando, das mit unglaublicher Brutalität, ja Menschenverachtung vorging. Brutale Typen hinter Kinnschutz, die mit ihrem Opfer kein Wort wechseln, keine menschliche Regung, kein Mitleid zeigen, die nur knüppeln. Das Ganze ist kein Bericht aus einem totalitären Staat, sondern ganz einfach Wackersdorfer Realität.“
Vom Schlagstock am Kopf getroffen Nicht viel besser war es dem Bundestagsabgeordneten der Grünen Michael Weiß aus München ergangen. Er wurde dreimal von einem Schlagstock am Kopf getroffen. Später erhob er in einem Fernsehinterview den Vorwurf, es habe sich dabei um einen „gezielten Angriff“
gegen ihn gerichtet. Innenminister August Lang bezeichnete es später als „Skandal“, dass Bundes- und Landtagsabgeordnete der Grünen sich an „rechtwidrigen Blockadeaktionen“ beteiligt hätten. Während Rettungssanitäter die Verletzten in
die Krankenwagen hievten, jagte die Kreuzberger Einheit weit entfernt vom Zaun auf neue, andere Menschenmassen zu.
Fortsetzung im Buch auf Seite 259.